Ein Liebender

Ein Liebender sein heißt alle Sorgen hinter sich lassen, und es gibt keine schlimmere Sorge als die um dich selbst. Bist du mit dir beschäftigt, dann bist du vom Geliebten getrennt. Der Weg zum Geliebten besteht aus nur einem Schritt: dem Schritt heraus aus dir. Als er gefragt wurde, was es heiße, ein Liebender zu sein, gab er zur Antwort: Was immer du im Kopf hast, vergiß es. Was immer du in der Hand hältst, gib es her. Was immer dein Schicksal zu sein hat, stelle dich ihm. *Abu Said Khair, (967 - 1049), persischer Sufi-Meister

Prüfungen



Nur durch Prüfungen kann echtes Gold von falschem unterschieden werden.Nur durch Prüfungen kann der Mutige und der Feigling erkannt werden. Nur Prüfungen scheiden das Volk der Treue vom Volk der Selbstliebe. Nur durch Prüfungen entfalten sich Verstand und Fähigkeiten der Schüler in den Schulen. Nur durch Prüfungen können funkelnde Edelsteine von wertlosen Kieseln getrennt werden. Nur nach Prüfungen konnte sich der Fischer vor Hannas und Kaiphas, die in der Welt hohes Ansehen genossen, auszeichnen. Erst nach Prüfungen konnte das Antlitz Maria Magdalenas im Lichte fester Gewißheit über allen Horizonten strahlen. Dies sind einige der Geheimnisse der Prüfungen, die wir dir enthüllt haben, damit du die Geheimnisse Gottes in jedem Zyklus erkennst. Wahrlich, ich bete zu Gott, daß Er die Angesichter im Feuer der Prüfungen wie lauteres Gold leuchten lasse. (STARWEST VIII p.238f) (Compilations, Göttliche Lebenskunst)

Niemals

Niemals steigt und niemals sinkt die Sonne, Ohne daß nach Dir der Sinn mir stände. Nie sitz mit den Leuten ich zu sprechen, Ohne daß mein Wort Du wärst am Ende. Keinen Becher Wasser trink ich dürstend, Ohne daß Dein Bild im Glas ich fände. Keinen Hauch tu ich, betrübt noch fröhlich, Dem sich Deingedenken nicht verbände. *Halladsch

Ein schlauer Fuchs

Ein schlauer Fuchs ging an einem schönen Weinberg vorbei, den ein hoher, dicker Zaun umgab. Der Fuchs umkreiste den Zaun und fand ein Loch, das aber zu klein für ihn war. Er sah die leckeren Trauben im Garten, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Was sollte er tun? Er fastete drei Tage, bis er so mager war, dass er durch das Loch schlüpfen konnte!

Drinnen im Weingarten aß der Fuchs nach Herzenslust und wurde dicker denn je. Als er durch den Zaun schlüpfen wollte, war das Loch wieder zu klein für ihn! Was also tat er? Er fastete erneut drei Tage, und es gelang ihm mit knapper Not, durch das Loch zu kriechen.

Draußen drehte er sich nach dem Weinberg um und sagte: „O Weingarten! Wie lieblich du aussiehst und wie herrlich deine Trauben sind! Aber was hast du mir genützt? So, wie ich gekommen bin, muss ich dich wieder verlassen.“


* aus dem Midrasch

das Auditorium

"Liebe ist der Grundton, Freude die Musik, Macht die Melodie, Wissen der Künstler, das unendliche All der Komponist und das Auditorium. Wir kennen nur die anfänglichen Dissonanzen, die so schrill sind, wie die Harmonie allumfassend groß sein wird. Ganz sicher aber werden wir zur Fuge der göttlichen Seligkeit gelangen."

"Warum schlägt Gott so fürchterlich auf seine Welt ein, trampelt auf ihr herum und knetet sie wie Teig, jagt sie so oft in ein Blutbad und in die rote Höllenhitze des Schmelzofens? Weil die Masse der Menschen immer noch ein hartes, rohes und wertloses Erz ist, das anders nicht geschmolzen und geformt werden kann: wie das Material, so das Verfahren. Wenn es sich in edleres und reineres Metall verwandeln lässt, werden auch seine Methoden zarter und sanfter sein, und er wird sie überlegener und leichter einsetzen."

"Warum wählte oder schuf er gerade dieses Material, wenn er aus einer Unzahl an Möglichkeiten wählen konnte? Wohl weil seine göttliche Vorstellungskraft nicht nur Schönheit, Anmut und Reinheit sah, sondern auch Kraft, Wille und Größe. Schmähe nicht die Kraft noch hasse sie, weil manche ihrer Gesichter hässlich sind, und glaube nicht, dass nur die Liebe Gott sei. Alle wirkliche Vollkommenheit muss etwas vom Stoff des Helden und sogar des Titanen haben. Die größte Kraft aber wird aus der größten Drangsal geboren. Alles würde sich ändern, wenn der Mensch erst einmal zum Spirituellen Geistigen Leben ja sagen würde; aber die Natur seines Denkens, seines Vitalen und seines Körpers rebelliert gegen das höhere Gesetz."

*Sri Aurobindo

Die Stille

Die Stille ist nicht
auf den Gipfeln der Berge,
der Lärm nicht
auf den Märkten der Städte,
beides ist in den Herzen der Menschen.

*Aus Indien

DAS ZIEL

Sind wir über Kenntnisse hinaus, dann haben wir Wissen. Denken war das Mittel, Denken ist die Schranke.

Sind wir über Bemühungen hinaus, dann haben wir Macht. Anstrengung war das Mittel, Anstrengung ist die Schranke.

Sind wir über Vergnügungen hinaus, dann haben wir Seligkeit. Begierde war das Mittel, Begierde ist die Schranke.

Sind wir über die Individualisierung hinaus, dann sind wir wahre Personen. Ego war das Mittel, Ego ist die Schranke.

Sind wir über das Menschentum hinaus, dann sind wir Der Mensch. Das Tier war das Mittel, das Tier ist die Schranke.

Wandle die Vernunft in geordnete Intuition, sei ganz und gar Licht.
Das ist dein Ziel.

Wandle Anstrengung in gleichmässiges, freies Strömen von Seelenstärke, sei ganz und gar bewusste Kraft. Das ist dein Ziel.

Wandle Vergnügen in gleichmässige, gegenstandslose Ekstase, sei ganz und gar Seligkeit. Das ist dein Ziel.

Wandle das gesonderte Einzelwesen in die Allperson, sei ganz und gar Göttlichkeit. Das ist dein Ziel.

Wandle das Tier in den Hirten der Herden, sei ganz und gar Krischna. Das ist dein Ziel.

*Sri Aurobindo

Im Obstgarten

Im Obstgarten legte ein Sufi auf die Art der Sufis das Gesicht auf die Knie, um sein Herz zu öffnen, und versank tief in sich. Ein aufdringlicher Kerl fühlte sich gestört, weil der Sufi aussah, als schliefe er. „Warum", sagte er, „schläfst du? Schau lieber auf den Wein, betrachte die Bäume und Zeichen und grünen Pflanzen. Hör den Befehl Gottes, denn Er hat gesagt: „Schau!" (Koran); richte deinen Blick auf diese Zeichen der Barmherzigkeit". Der Sufi antwortete: „O du Sinnlicher, die Zeichen sind im Herzen; aussen sind nur die Zeichen der Zeichen." Die wahren Gärten und Wiesen liegen im Inneren der Seele; deren Widerspiegelungen im Äusseren sind wie Spiegelungen in fliessendem Wasser. Im Wasser ist nur das Abbild des Gartens, das wegen der feinen Eigenschaft des Wassers zittert. Die wahren Gärten und Früchte liegen im Herzen; der Widerschein ihrer Schönheit fällt auf Wasser und Erde. Wäre die weltliche Zypresse nicht das Abbild der inneren Zypresse, hätte Gott die Welt nicht Welt der Täuschung genannt. Die Täuschung besteht darin: Die Welt der Bilder existiert durch den Widerschein des Herzens und des Geistes der Menschen. Alle Getäuschten betrachten das Abbild und denken, dass es der Ort des Paradieses ist. Sie fliehen vor dem Ursprung der Gärten; sie erfreuen sich an einer Illusion. Wenn ihr Schlaf der Unachtsamkeit zu Ende ist, sehen sie wirklich, doch was nutzt ihnen dann diese Sicht? Dann entsteht auf dem Friedhof grosses Wehklagen; wegen ihres Fehlers schreien sie bis zur Auferstehung „Wehe¨" „Oh, glücklich ist, wer vor dem Tod gestorben ist", denn er hat einen Hauch vom Ursprung dieses Weinbergs erhascht.  

* Rumi