Vom Truthahn

Es geschah einmal, daß der Königssohn in Wahnsinn verfiel und behauptete, er sei ein Truthahn. Als Truthahn hatte er den Drang, nackt unter dem Tisch zu sitzen und Krumen und Knochen aufzulesen. Alle Ärzte verzweifelten an der Aufgabe, ihm zu helfen und ihn davon zu heilen. Der König war darüber in großer Sorge. Bis ein Weiser kam und ankündigte: »Ich nehme es auf mich, ihn zu heilen.« Er zog sich ebenfalls aus und setzte sich unter den Tisch neben den Königssohn und pickte mit ihm nach Krumen und Knochen. Der Prinzfragte ihn: »Wer bist du, und was suchst du hier?« Er antwortete: »Und was suchst du hier? « Der Prinz sagte ihm: »Ich bin ein Truthahn.« »Und ich«, sagte der Weise, »bin auch ein Truthahn.« So saßen die zwei dort einige Zeit zusammen, bis sie sich aneinander gewöhnt hatten. Dann, auf ein Zeichen des Weisen, warf man ihnen Hemden hinunter. Da sagte der Weise zum Königssohn: »Du denkst, daß ein Truthahn nicht in einem Hemd gehen kann? Man kann ein Hemd tragen und trotzdem Truthahn sein.« Und beide zogen sich Hemden an. Nach einiger Zeit gab er wieder ein Zeichen, und man warf ihnen Hosen hinab. Und der Weise sagte demPrinzen: »Du denkst, daß man in Hosen kein Truthahn sein kann? usw.« Bis sie die Hosen und alle anderen Kleidungsstücke angezogen hatten. Und später gab er wieder ein Zeichen, und man reichte ihnen menschliche Nahrung vom Tisch hinunter. Und er sagte ihm: »Du denkst, wenn man gute Speisen ißt, sei man schon kein Truthahn mehr? Man kann essen und auch Truthahn sein.« Und sie aßen. Danach sagte er: »Du denkst, daß ein Truthahn unbedingt unter dem Tisch sein muß; man kann als Truthahn auch am Tisch sitzen.« So verfuhr er mit ihm, bis er ihn ganz geheilt hatte.

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