Kanu Kukur

Ich spüre die Nacht in mir aufkommen und schreibe sie in mein Tagebuch...



Ich bin genauso unwichtig wie jeder
Eine absolute Besonderheit
Meine Seele bebt, ist der Körper auch schläfrig
Immer sofort wenn die Sonne steigt
Ich komm nicht weit
Wenn ich mich weiterhin weiger im inneren Rhythmus
Dem äußeren Gegenstück näher zu kommen
Doch fehlt meiner Handlung der Rückschluss
Warum lass ich mein Glück Los?
Ich hatte es fest in der Hand
Längst schon erkannt doch lies es fallen und
Lief direkt in die Wand
Plötzlich verschwand jegliche Spur
Lebte ich nur in der Illusion
Es tatsächlich zu besitzen
Obwohl ich es täglich erfuhr
Man gebe mir Dur, denn mein Moll rollt über den roten Teppich
Seine Bekanntheit ist omnipräsent und seine Leibwächter groß und schrecklich
Das Leben ist so zerbrechlich
Und der Tod ist mächtig
Sein Sog erfasst mich
Zuerst nur oberflächlich

Doch mit jedem weiterem Atemzug
Geht die Tür zu dem Garten zu
Aus dem ich einst entsprang
Und ich höre nur wie der Rabe ruft
Sehe den Gegner
Kapituliere mit einem schwarzen Tuch
Spüre die Nacht in mir aufkommen
Und schreibe sie in mein Tagebuch...
Das allsehende Auge mit der Hornhautverkrümmung
In der Reflexion seines Blicks steckt der Dorn der Verstümmelung
Doch mein Ohr, der Ergründung
Lauscht dem Wort, der Verkündung
Dessen Zeilen mich geleiten an den Ort der Bestimmung
Ich laufe die Stufen hinab
Auf der Treppe des Wahnsinns
Geh tiefer und suche in der Nacht nach dem letzten Titanen
Schließe mit Blut einen Pakt zum Entsetzen der Ahnen
Und setze den Fuß in die Stadt
Vor der Texte mich warnten
Ich laufe durch leere Straßen
Es ist still, viel zu still
Drehe mich um und stehe direkt vor meinem Spiegelbild
Es weint und spricht besorgt fang an zu sehen
Statt von deinem Ziel zurück zum Anfang zu gehen

Und langsam entstehen Umrisse der Gestalten
Die mich seit meinem Abstieg, ohne mein Wissen begleiten
Sie nehmen Formen an
Entsetzliche Formen
Streichen mit Nesseln
Und fesseln mit Dornen
Verletzten mit Worten die unaussprechlich schienen
Ich bedecke die Ohren doch der Text liegt in ihnen
Wo sind meine Wächter
Wo sind meine schützenden Geister
Denn ich dreh durch
Werde langsam verrückt und begreif das
Leise spreche ich meinen Satz
“Tief in meinem inneren ist mein Lächeln ein Schatz”
Und selbst wenn man mich peinigt und in Ketten einfasst
Leidet meine Seele nur wenn ich das schlechte Reinlass
Umrisse eines Tores
Zeichnen sich ab
Ich sehe meine Verfolger an und
Zeig meine Kraft
Stechender Schmerz durch die Dornen doch ich merke
Nichts mehr und sehe nur noch das Tor in der Ferne
Spüre die Stiche nicht mehr
Meine Blicke sind leer
Ich warte auf den Wächter des Tores
Mit seinem vergifteten Speer
Er materialisiert sich...
Eindrucksvolle Erscheinung
Ein einziger Blick von ihm
Vertreibt meine Begleitung

Er spricht zu mir:

“Ich weiß warum du hier bist
Ich hoffe du bist gut vorbereitet
Denn du verlierst jetzt
Vieles von dem dachtest es sei ein Teil von dir
Doch das hat hier keine Bedeutung mehr
Das ist mein Revier”


“Stich endlich zu
Ich bin nicht zum Reden hier
Beförder das Gift ins Blut
Schenk mir die Einsicht und ich gebe dir
Alles was du als Preis verlangst
Sei es für alle Zeit verbannt
Die Hauptsache für mich ist
Ich habe das Sein erkannt...”

Funken der Liebe die das Innere erleuchten & das Licht das zur Quelle zurückführt..

DAS RUFEN - BAAL SCHEM TOV


Rabbi David Firkes, der Schweiger, der Schüler des Baalschem, wollte den Messias rufen. Er wollte aus seinem Willen einen Sturmwind machen, der sollte an der oberen Pforte rütteln, sollte eindringen und rufen und fassen und auf die Erde ziehen. Er band sein Leben los von allen Wesen und Mächten, kasteite sich und lebte in der Gelöstheit viele Tage und Nächte. Aber bald wurde er inne, dass er allein war. Er sollte für die Zeit sprechen, aber er vermochte es nicht. Er sollte ihre Reife künden, aber er nahm sie nicht wahr. Fern von ihm breiteten sich die Lager der Menschen.

Da fand Rabbi David, was ihm zu tun oblag. In jedem Jahr am Versöhnungstag wurde er berufen, das große Gebet vor der Gemeinde zu sprechen. Jetzt erst verstand er den Sinn davon. Er wusste, er Würde auf den Flügeln seines Wortes das Beten aller tragen, das Gebet der Gemeinde und das Gebet ganz Israels - denn ist nicht das Bethaus des Baalschem der Mittelpunkt der geistigen Erde? Und er beschloss, sein Wort auf das Volk zu schleudern wie ein gewaltiges Netz, dass alle Inbrunst von ihren engen Eigenzielen weg gehoben und dem Messias zugeführt werde. Binden wollte er die Seelen Israels zu einer ringenden Schar. Ja, er wollte für die Zeit sprechen. Alle Worte sollten in sein Wort fließen und in ihm empor strömen. Ja, er wollte die Reife der Zeit künden. Das Vielfache sollte zur Einheit verschmelzen, die keinen Mangel mehr kennt.

Der Versöhnungstag war da, und die Gemeinde versammelte sich zum Frühgebet. Wie Tote standen sie in den Totenkleidern und bereiteten sich, in das Auge der Ewigkeit zu blicken. Nur der Meister fehlte. Der Baalschem war sonst der erste im Bethaus, wie ein Torhüter Gottes. Heute säumte er, und die Schar der Seinen harrte sein voller Bangigkeit, denn sie wussten, dass alles, was er tat, aus dem heimlichen Geschehen der Welt seinen Sinn nahm. Als der Morgen sich schon zum Tag aufhellte, trat der Baalschem leise und fast zögernd ein. Er ging an den Versammelten vorbei und sah keinen an, ging an seinen Ort, setzte sich und legte den Kopf auf das Betpult. Jene standen, sahen auf ihn und wagten nicht mit dem Beten zu beginnen. Er aber hob den Kopf nach einer Weile, und seine Augen blinzelten wie eines, der sich müht, in die Sonne zu sehen, dann senkte er ihn und hob ihn Wieder, und das währte eine Zeit. Danach dehnte er sich wie ein Erwachender, der einen umklammernden Traum von den Gliedern abtun will, und winkte, man solle sich zum Frühgebet stellen. Aber als dieses gesprochen war und die Gemeinde sich geweihten Herzens zu dem großen Gebet rüstete, Welches das Mussaf genannt wird, sah der Meister sich im Kreis um und sah sie stehen, eine große Schar, stumm, im Gewand des Todes, bereit zum Sterben wie zum Leben. 

Und leis, Wort von Wort gezogen, wie aus der Tiefe des Sterbens, sprach er zu denen, die um ihn standen: „Wer wird Mussaf vorbeten?“ Und so fast unhörbar die Rede war, im gleichen Augenblick war ein Staunen entzündet in der Gemeinde und breitete sich still durch den stillen Raum. Denn alle wussten, dies war Rabbi Davids Amt, er war vom Meister seit manchem Jahr eingesetzt als Gottes Diener im lauten und tragenden Sprechen des hohen Mussaf am Tage der Versöhnung. Aus all den zitternden Herzen und von all den flüsternden Lippen sollte er die Wünsche und die Bitten empor tragen, von der Scheu der Herzen und Lippen gelöst. Keiner jedoch wagte, dem Heiligen zu antworten. Er fragte wieder und wieder, bis einer leise und mit Zagen sprach: "Rabbi David ist doch der Beter!“ Da richtete sich der Baalschem auf und wendete sich zur Lade, vor der Rabbi David unirdisch bleich und wie abgestorben stand, und redete zu ihm in gewaltigem Hohn: „Du, David, willst Mussaf vorbeten? Weißt nichts und willst Mussaf vorbeten am Jomhakippurim?“ Da standen sie alle bestürzt, denn sie verstanden nicht, was sich ereignete, und jeder fragte sich, wie es möglich sei, dass der Meister dergestalt einen Menschen schmähe, und gar einen Zaddik, und gar am Tag der Versöhnung. Allein die Furcht War groß, und niemand sprach ein Wort. 

Rabbi David aber stand noch starr und aufgereckt vor der Lade, und ihm war, als trüge ihn ein Wirbelsturm durch die Nacht, Fäuste hoben sich aus dem Wirbel und schlugen ihn, und eisige Krallen rissen seine Seele hervor und warfen sie in die Nacht. So stand er verloren in leerem Raum und wurde keiner Zeit gewahr. Urplötzlich aber Wich der Wirbel, er fand sich vor der Lade stehen und hörte ein Wort des Baalschem zu sich herübertönen. Der Baalschem redete mit leichter Stimme: "Ist keiner da, vorzubeten, nun, so geh schon du, Rabbi David! Da stürzten Rabbi David die Tränen hervor, er weinte und weinte, und begann aus dem Weinen zu beten und betete in großem Weinen, und sein brechendes Herz sandte ihm Tränen und immer neue Tränen. Die Tränen nahmen in ihrem Strom seine Bereitschaft mit und seinen großen Willen, sie trugen mit sich davon die Kawwana seines Geistes, die Frucht der Tage und Nächte, die Spannung des Unendlichen. Nichts fühlte und wusste er mehr als das Leid seines Herzens, und aus seinem Herzeleid redete er zu Gott und betete und weinte. Und an seinem Leid entbrannte das Leid der Gemeinde und schlug empor. Wer eine Decke gebreitet hatte über die Fehle seines Lebens, der zog sie nun weg und wies Gott seine Wunden wie einem Arzt. Wer eine Mauer errichtet hatte zwischen sich und den Menschen, der riss sie nieder und litt den Schmerz der andern in seinem Schmerz mit. Und Wem die Brust schwer war, weil er in ihr das Wort nicht finden konnte, das hin dringt zum Kern der Geschicke, der fand es nun und atmete in Freiheit.

Aber als das Fest sich geneigt hatte und die letzten Feiertöne der Neila in den Abend verbraust waren, trat Rabbi David vor den Baalschem hin. Wie er so vor ihm stand, ohne ihn anblicken zu können, und das gütige Angesicht nahe dem seinen nicht sah, nur fühlte, vermochte er sich nicht länger zu halten, sondern sank davor nieder und lag eine Weile stumm und ringend da. Endlich erhob er den Blick und sprach mühevoll: "Rabbi, welche Schuld hast du an mir erschaut?" Hinter ihm hatte sich die Gemeinde geschart, und alle harrten der Worte des Meisters; mit Augen, die das Gebet geläutert und befriedet hatte, sahen sie auf seinen Mund. Der Baalschem sprach: "Keine Schuld finde ich an dir, Rabbi." Er legte ihm die Hände auf die Schultern, neigte sich zu ihm wie ein Vater, der seinen Sohn segnet, und sprach zum andern Mal: "Keine Schuld finde ich an dir" Und als des andern traurig wartender Blick zu ihm aufflog, sprach er weiter: "O Rabbi David, du hast dich bereitet und geheiligt und hast im Feuer der Kasteiung deinen Leib gebadet und hast deine Seele gespannt wie eine Bogensehne der Kawwana, um den Messias zu rufen." Er hielt inne, jener beugte die Stirn, und der Baalschem sprach Weiter: "O Rabbi David, du wolltest dein Wort wie ein Netz schleudern auf das Volk Israel und alle Willen dir dienstbar machen, um den Messias zu rufen." Tiefer beugte jener die Stirn, und der Baalschem sprach Weiter: "O Rabbi David, vermeinst du, deine Gewalt könne das Unfassbare fassen? Und dränge sie auch vor bis zum innersten Himmel und umfinge den Thron des Messias, vermeinst du, du hieltest ihn, wie meine Hand deine Schulter greift? Über die Sonnen, über die Erden wandelt Messias in tausend und tausend Gestalten, und die Sonnen und die Erden reifen ihm entgegen. In seiner obern Form gesammelt, zerstreut in unsägliche Weite, hütet er allerorten das Wachsen der Seele, hebt er aus allen Tiefen die gefallenen Funken Täglich stirbt er die stillen Tode, täglich keimt er in stillen Geburten, täglich steigt er empor und nieder. Wem einst die Seele schlank und vollendet mit reinen Sohlen den reinen Boden tritt, dann wird seine Stunde in seinem Herzen auf pochen, dann wird er sich aus allen Erscheinungen ziehen und wird sitzen auf dem Thron, Herr der Himmelflammen, die aufgeloht sind aus den erlösten Funken, und wird niedersteigen und kommen und leben, und er wird der Seele sein Reich schenken." Und weiter sprach der Baalschem: "Du aber, Rabbi David, was hast du getan! Du wolltest dich mit der Gemeinde Israels in die Nacht Werfen um des Morgens willen. Aber kennst du den Herrn der Nacht? Wisse, immer ist einer, der die Zeit befragt, und einer, der aus der Zeit antwortet. Einer, der geben Will, und einer, der die Annahme weigert. Dies ist der Herr der Nacht, dazu eingesetzt, den Mangel der Zeit zu künden. Als er sah, dass du dich bereitetest und heiligtest, Wuchs eine große Freude in ihm auf, und er gedachte in deinem Gebet das Gebet Israels einzufangen und sich ein Spiel daraus zu machen. 

Er lauerte deinem Gebet auf dem Weg auf, es einzufangen. Ich stritt mit ihm an diesem Morgen, ihn zu verjagen, aber ich übermochte ihn nicht. Da schlug ich deine Seele mit Beschämung, dass sie ihren Willen aufgab und in Tränen verströmte. Dein Gebet stieg auf inmitten der Gebete Israels, frei empor zu Gott.“ Da beugte sich die Stirn des Rabbi David völlig in Boden. Aber der Baalschem hob ihn auf, zog ihn zu sich heran und sprach: "Als das Weinen über dich kam, ist an deinem Leide das Leid Israels entbrannt. Jeder stand im Läuterfeuer seines Herzeileids vor Gott, jeder wurde rein im Strom seiner Tränen. Wie viele gefallene Funken hast du da emporgehoben!"