Das Leiden
Als Rabbi Schmelke und sein Bruder zum
Maggid von Mesritsch gekommen waren, brachten sie folgendes vor:
„Unsere Weisen haben ein Wort gesprochen, das uns keine Ruhe läßt,
weil wir es nicht fassen können. Das ist das Wort, der Mensch solle
Gott für das Übel lobpreisend danken wie für das Gute und soll es
in gleicher Freude emfangen. Ratet uns, Rabbi, wie wir es fassen.“
Der Maggid antwortete: „Geht in das Lehrhaus, da werdet ihr Sussja
finden, wie er seine Pfeife raucht. Er wird euch die Deutung sagen.“
Sie gingen ins Lehrhaus und legten Rabbi Sussja ihre Frage vor. Er
lachte: „Da habt ihr euch den Rechten ausgesucht! Ihr müßt euch
schon an einen anderen wenden, und nicht an einen wie ich, dem
zeitlebens kein Übel widerfuhr.“ Sie aber wußten: es war Rabbi
Sussjas Leben vom Tag seiner Geburt an bis zu diesem Tag aus Not und
Pein ohne andern Einschlag gewoben. Da verstanden sie, was es heißt,
Leid in Liebe empfangen.
Die Gewänder der Gnade
Man fragte Rabbi Sussja: „Wir beten:
„Erweise uns gute Gnaden“ und „Der gute Gnaden erweist“. Sind
denn nicht alle Gnaden gut?“ Er erklärte: „Freilich sind alle
Gnaden gut. Aber die Wahrheit ist, daß alles, was Gott tut, Gnade
ist. Nur daß die Welt die nackte Fülle seiner Gnaden nicht zu
ertragen vermöchte. Darum hat er sie in Gewänder gekleidet. Und so
bitten wir ihn, daß auch das Gewand ein gutes sein möge.“
aus: