Die erste entscheidende Wende



Die erste entscheidende Wende in meinem Leben verdanke ich einem Menschen, der, mir an Intellekt, Erziehung und Veranlagung weit unterlegen, spirituell keineswegs vollkommen oder überragend war. Da ich aber eine Kraft hinter ihm wahrgenommen und mich entschieden hatte, mich an ihn um Hilfe zu wenden, gab ich mich ganz in seine Hände und folgte der Führung mit automatischer Passivität. Er selbst war erstaunt und sagte zu anderen, daß er niemanden je zuvor getroffen habe, der sich so absolut und ohne Rückhalt und Fragen der Führung des Helfers auszuliefern vermocht hätte. Das Ergebnis war eine Folge von verwandelnden Erfahrungen so radikalen, Charakters, daß er selbst nicht in der Lage war, denselben zu folgen, und er mußte mir sagen, daß ich mich mit der gleichen vollständigen ·Hingabe in Zukunft dem Führer in mir selbst anvertrauen solle.

«Setz dich hin und meditiere», sagte er, «aber denke nicht, schau deinen Geist nur an. Du wirst sehen, daß Gedanken in denselben hineintreten. Ehe sie eintreten können, wirf sie von deinem Geist zurück, bis er völliger Stille fähig wird.» Ich hatte nie zuvor davon gehört, daß Gedanken sichtbar von außen in den Geist eintreten, aber ich dachte nicht daran, diese Wahrheit oder Möglichkeit in Frage zu stellen, ich setzte mich einfach hin und tat es. In einem Augenblick wurde mein Geist stille wie die windlose Luft auf dem hohen Gipfel eines Berges, und dann sah ich einen Gedanken, dann einen anderen in konkreter Weise von außen kommen. Ich warf sie zurück, ehe sie eintreten und das Gehirn mit Beschlag belegen konnten, und in drei Tagen war ich frei.

Von dem Augenblick an wurde das mentale Wesen in mir eine im Prinzip freie Intelligenz, ein universaler Geist, nicht mehr begrenzt in dem engen Zirkel persönlichen Denkens wie ein Arbeiter in einer Gedankenfabrik, sondern ein Empfänger von Wissen aus den hundert Reichen des Seins und frei, in diesem ungeheuren Königreich der Schau und des Gedankens zu wählen, was er wollte. Ich erwähne dies nur, um mit Nachdruck zu betonen, daß die Möglichkeiten unseres mentalen Wesens nicht begrenzt sind und daß der Geist freier Zuschauer und Herr in seinem eigenen Hause sein kann. Das bedeutet nicht, daß jedermann es auf die gleiche Weise und mit derselben Schnelligkeit der entscheidenden Bewer,ung tun kann wie ich, aber eine fortschreitende Mei- sterung und Freiheit des eigenen Geistes liegt durchaus innerhalb der Möglichkeit eines jeden, der den Glauben und den Willen dazu hat.

*Sri Aurobindo

Quelle: http://aurobindo.ru/workings/der_integrale_yoga.pdf 

 

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