Die Lilith
Es wird erzählt: „Ein Mann, dessen
sich die Lilith bemächtigt hatte, fuhr nach Neshiz, wo er Rabbi
Mordechai anflehen wollte, ihn zu befreien. Der Rabbi merkte in
seinem Herzen, daß jener unterwegs zu ihm war, und gab in der ganzen
Stadt den Befehl aus, am Abend alle Haustüren zu schließen und
niemand einzulassen. Als der Mann nachts in die Stadt kam, fand er
nirgends Einlaß und mußte sich auf einen Heuschober legen. Schon
war die Lilith da und sprach: „Komm herunter zu mir.“ Er fragte
sie: „Weshalb verlangst du das ? Sonst pflegst du doch immer zu mir
zu kommen.“ Sie sprach: „Im Heu, auf dem du liegst, ist ein
Kraut, das mich hindert, mich dir zu nahn.“ „Welches ist es ?“
fragte er, „ich will es hinweg werfen, und dann wirst du zu mir
kommen können.“ Er zeigte ihr Kraut um Kraut, bis sie sagte: „Das
ist es.“ Da band er es sich an die Brust und war von ihr befreit.“
Der Seiltänzer
Rabbi Chajim von Krosno, ein Schüler
des Baalschem, sah einst mit seinen Schülern einem Seiltänzer zu.
Er war so tief in den Anblick versunken,daß sie ihn fragten, was es
sei, das seine Augen an die törichte Schaustellung banne. „Dieser
Mann“, antwortete er, „setz sein Leben aufs Spiel, ich könnte
nicht sagen weswegen. Gewiß aber kann er, während er auf dem Seil
geht, nicht daran denken, daß er mit seiner Handlung hundert Gulden
verdient; denn sowie er dies dächte, würde er abstürzen.“