»Als ich noch im Schlaf der Unwissenheit lag,
kam ich einmal an einen Ort der Andacht
voller heiliger Männer;
ihre Gesellschaft war mir langweilig
und ihr Haus ein Gefängnis.
Als ich erwachte, führte Gott mich in ein Gefängnis.
Er verwandelte es in einen Ort der Andacht,
wo ich Ihm begegnete.«
kam ich einmal an einen Ort der Andacht
voller heiliger Männer;
ihre Gesellschaft war mir langweilig
und ihr Haus ein Gefängnis.
Als ich erwachte, führte Gott mich in ein Gefängnis.
Er verwandelte es in einen Ort der Andacht,
wo ich Ihm begegnete.«
*Sri Aurobindo
Es war am 1. Mai 1908, einem Freitag. Ich hielt mich im Redaktionsbüro der Bande Mataram auf, als man mir ein Telegramm aus Muzaffarpur überreichte. Es informierte über ein Bombenattentat in dieser Stadt, bei dem zwei europäische Damen getötet worden waren. In der Tagesausgabe des Empire las ich dann, daß der Polizeichef gesagt habe, er kenne die Leute, die in den Mord verwickelt seien, und sie würden bald unter Arrest gestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, daß ich selbst die Hauptzielscheibe des Verdachtes war und die Polizei mich für den eigentlichen Mörder, Attentäter und Führer der jungen Terroristen und Revolutionäre hielt. Ich ahnte auch nicht, daß an diesem Tage ein Abschnitt meines Lebens zu Ende ging, daß ein Jahr Gefangenschaft vor mir lag, in dem all meine gesellschaftlichen Bindungen aufgelöst würden, ein ganzes Jahr, in dem ich, aus der Gesellschaft verbannt, wie ein Tier in einem Käfig zu leben haben würde. Und wenn ich am Ende aus dem »Ashram« von Alipur wieder in die Welt der Aktivität zurückkehrte, so würde das nicht mehr der frühere Aurobindo Ghose sein, sondern ein anderer Mensch mit anderem Charakter, anderer Intelligenz, mit neuer Kraft an Leben und Geist und betraut mit einer neuen Aufgabe.
Ich habe von einem Jahr Gefangenschaft gesprochen. Es wäre angemessener, von einem Jahr in einem Ashram oder einer Einsiedelei zu sprechen. Lange schon hatte ich mich leidenschaftlich bemüht, Gott in meinem Herzen zu finden, IHN, Narayana* von Angesicht zu Angesicht zu schauen; ich hatte sogar die kühne Hoffnung gehegt, Purushottama, den Herrn der Welt, als Freund und Meister zu gewinnen. Aber angezogen von tausend weltlichen Wünschen, verstrickt in vielerlei Aktivitäten und eingetaucht in das Dunkel der Unwissenheit, habe ich das nicht erreicht. Letzten Endes aber erleichterte mir Vishnu, der allerbarmherzigste Herr und die Quelle alles Guten, diese Aufgabe, indem er mir all diese Feinde mit einem Schlag aus dem Wege räumte. Er Selbst bestimmte einen Ashram für Seinen Yoga und kam persönlich, um diese kleine Eremitage meiner spirituellen Disziplin mit mir zu teilen, Er, mein Guru und mein Gefährte. Dieser Ashram war das britische Gefängnis. Ich habe in meinem Leben schon häufiger die seltsame Erfahrung gemacht, daß die Dienste, die meine Freunde mir in bester Absicht erwiesen, nie so wertvoll waren wie jene meiner Feinde - aber soll ich die letzteren so nennen, da ich doch gar keine »Feinde« habe? Sie wollten mir Böses zufügen, aus dem doch nichts als Gutes entstand. So ergab sich aus dem Zorn der britischen Regierung nur das eine, daß ich Gott fand.
(*Narayana - ein Name des Gottes Vishnu)
*Sri Aurobindo - Tagebuch einer Gefangenschaft
http://aurobindo.ru/tagebuch_einer_gefangenschaft.pdf
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